Trainerin Silke Beickert war als TV-Reporterin bei den Olympischen Spielen in Paris

„Das Interview, das mich am meisten bewegt hat, lief fernab der Entscheidungen um Gold, Silber und Bronze ab.“

An der Moderatorenschule Baden-Württemberg gibt Profi-Moderatorin Silke Beickert ihr Wissen und ihre Erfahrungen im Bereich TV- und Veranstaltungsmoderation an Fach- und Führungskräfte weiter. Beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) ist sie in den täglichen Nachrichtenformaten auf Sendung. In diesem Sommer berichtete Silke für den TV-Sender Eurosport live von den Olympischen Spielen in Paris. Als Sportreporterin erlebte sie hier hautnah die wichtigen sportlichen Entscheidungen mit und führte mit den Athletinnen und Athleten emotionale Interviews nach Sieg oder Niederlage.

In unserem Interview nimmt uns Silke Beickert mit hinter die Kulissen dieses einzigartigen Sport-Events, das selbst sie als Profi enorm gefordert hat. Außerdem erzählt sie uns, wie sie selbst gelernt hat, gute Interviews zu führen.

Moderatorenschule Baden-Württemberg: Welchen besonderen Herausforderung begegnet man als Reporterin bei einem weltweiten Sportereignis wie Olympia?
Silke Beickert: Da ich für Eurosport als rasende Reporterin eingesetzt war, bestand die größte Herausforderung vor allem darin, immer rechtzeitig am richtigen Ort zu sein. Nicht selten wurden mein Kameramann David und ich sehr früh vom Hotel abgeholt, um morgens beispielsweise beim Triathlon oder Gehen präsent zu sein. Kaum, dass dort die Entscheidungen gefallen waren, packten wir schon wieder unsere Sachen und machten uns auf den Weg zur nächsten Wettkampfstätte. Da in Paris die Sicherheitsvorkehrungen extrem hoch waren, mussten wir immer sehr viel Zeit für das Passieren der Security-Schleusen einplanen. Unterm Strich sahen die Zuschauer:innen nur einige Momente von mir auf dem Schirm; die eigentliche Arbeit spielte sich aber viel mehr in Sachen Logistik, Anreise, Organisiation im Hintergrund ab.

MBW: Welches der geführten Interviews hat dich nachhaltig bewegt / begeistert und warum?
SB: Das Interview, das mich am meisten bewegt hat, lief fernab der Entscheidungen um Gold, Silber und Bronze ab. Jakob Thordsen, deutscher Kanute, hatte den Einzug ins Kajak-Sprint-Finale geschafft. Am Ende reichte es leider nur zu Platz 8. Danach weinte er hemmungslos bei mir am Mikrofon. Noch vor wenigen Monaten hatte „Thörtchen“ – wie ihn alle nennen – einen schweren Fahrradunfall und wurde an der Schulter operiert. Er kämpfte sich zurück und schaffte es bis ins Olympische Finale. Ausgerechnet da blieb Jakob mit seinem Boot im Seegras hängen; er verlor das Rennen bereits auf den ersten zwanzig Metern. Genau diese Geschichte erzählte er mir im Interview und verlor bittere Tränen. Auch ich kämpfte mit meinen Emotionen und konnte nur mitfühlen, wie viel Schweiß, Blut und Tränen Sportlerinnen und Sportler investieren, um bei ihrem Highlight – Olympia – dabei sein zu können.

MBW: Sicherlich gab es auch witzige Momente innerhalb der zweieinhalb Wochen. Welcher fällt dir als erstes ein?
SB: Den ersten richtigen Lachanfall hatte ich bereits am Tag der Eröffnungsfeier. Es regnete in Paris in Strömen, meine Kollegen und ich mussten uns bis zum Trocadéro-Platz gegenüber des Eiffelturms durchkämpfen, wo alle internationalen Fernsehsender ihre Studios aufgebaut hatten. Nach ca. zwei Stunden Fußmarsch kamen wir endlich am Ort des Geschehens an, klatschnass bis auf die Knochen. So stand ich da und sollte in weniger als 30 Minuten live auf Sendung gehen. Gott sei Dank hatte das australische Fernsehen eine mobile Maske vor Ort; die Maskenbildnerinnen hatten ein Erbarmen mit mir und machten mich innerhalb weniger Minuten wieder präsentabel. Am Ende des Tages saßen wir alle zusammen und lachten darüber, wie der Start von Olympia verlaufen ist. Die nächsten Tage bis zur Schlussfeier war von Regen nichts mehr zu sehen, stattdessen jeden Tag Sonne satt.

MBW: Worauf kommt es an, wenn man vor der Kamera bei so einem Event mit Millionenpublikum mit weltweiter Bedeutung steht? 
SB: Grundsätzlich hat man bei Olympia in der so genannten „MixedZone“ – also dem Bereich, wo die ganzen akkreditierten Journalisten stehen – nur wenig Zeit, um Sportler:innen zu interviewen. 90 Sekunden sind vorgegeben … Nicht viel, um tatsächlich ein gutes Gespräch zu führen. In der Kürze der Zeit geht es meiner Meinung nach vor allem darum, Emotionen beim Gegenüber hervorzurufen. Medaillengewinner:innen, die im Wettbewerb über sich hinaus gewachsen sind, sind dabei recht leicht zu interviewen, da sie ihre Emotionen nur allzu gerne teilen wollen. Bei Gesprächspartnern, die ihre Ziele verfehlt haben, muss ich natürlich fragen, woran es lag und wie sie mit der Enttäuschung umgehen.

MBW: Wie bekommst du spannende Antworten von deinen Interviewpartnern?
SB: Mir ist es immer wichtig, auf Augenhöhe Interviews zu führen. Dabei kommt es mir darauf an, dass ich meinem Gegenüber das Gefühl gebe, ihn/sie zu respektieren. Natürlich hakt man als Journalist nach, wenn es um einen kontroversen Sachverhalt geht oder – wie in meinem Falle – die persönliche Bestleistung doch sehr deutlich verfehlt wurde. Stehen strahlende Sieger:innen vor mir, will ich vor allem erfahren, was gerade in ihnen vorgeht. Bei Olympia habe ich dabei nicht selten als Antwort bekommen, dass gerade ein Lebenstraum in Erfüllung gegangen ist. Wie schön, das als Journalist miterleben zu dürfen. Gerne fragte ich auch nach, ob Familie und Freunde in Paris dabei sind. Dann wurde es meist von ganz alleine recht emotional.

MBW: Wie lernt man, gute Interviews zu führen?
SB: Ehrlicherweise war das bei mir „Learning by doing“. In meinen Anfängen als Moderatorin und Reporterin hätte ich mir gewünscht, dass es solche Möglichkeiten wie das Interviewtraining, das wir an der Moderatorenschule anbieten, gegeben hätte. Mit solchen Seminaren wäre ich schneller erfolgreich gewesen. Ich habe immer recht viel Konkurrenzbeobachtung gemacht; habe verglichen, wie es die Anderen machen, habe viele Interviews gelesen, gesehen und gehört. Im Laufe der Zeit entwickelte ich ein Gespür dafür, welche Fragen ich stellen kann und wie ich zu interessanten Aussagen komme. Letztendlich bin ich immer neugierig auf den Menschen, der mir gegenüber steht und lasse mich auf die Situation ein. Selten ist sie komplett planbar und vorhersehbar.

MBW: Mit welchen Übungen trainierst du das bei uns an der Moderatorenschule Baden-Württemberg mit den Seminarteilnehmern? 
SB: Spontanität ist meiner Meinung nach eine wichtige Kompetenz, die Moderator:innen unbedingt mitbringen sollen. In meinen Trainings lasse ich die Teilnehmenden ein kurzes Interview vorbereiten, 2-3 Fragen, maximal 3 Minuten. In der eigentlichen Übungssituation mime ich dann den Interviewgast und antworte ganz anders als erwartet, zum Beispiel mit einer Gegenfrage. Wie spontan reagiert mein Gegenüber? Lassen sich die Teilnehmenden auf einen ganz anderen Verlauf des Interviews ein? Oder wie reagieren sie, wenn ich Emotionen in das Gespräch bringe? Meistens haben wir bei diesen Übungen recht viel Spaß, es wird viel gelacht. Mir geht es dabei vor allem darum, dass Moderatoren fit sind für jede Art der Interviewführung, dass sie spontan reagieren können und offen sind für eine andere Art des Gesprächsverlaufs.

Foto: Die Sportreporter Silke Beickert und Markus Herwig mit Interviewgast Boris Becker bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris. Credit: Stefan Glanz

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