5 Fragen an … Stefan Reusch
„Sind Sie nicht DER Reusch??“ – „Welcher Reusch …?!“
Auf die Frage unseres Office-Mitarbeiters in der Küche der Moderatorenschule reagiert Stefan Reusch trocken. Schlagfertigkeit oder Bescheidenheit? Jedenfalls ist der Wahlkölner auch hier im „Ländle“ eine bekannte Größe. Seit über 1.000 Sendungen bringt er wortakrobatisch die Radiohörer von SWR3 zum Schmunzeln und Nachdenken, wenn er als grandioser Wortverdreher in „Reuschs Wochenrückblick“ über die aktuelle Weltlage philosophiert. Er steht als Kabarettist auf der Bühne, ist Komik-Dozent und bildet sich selbst alle zwei bis drei Jahre weiter – so wie kürzlich an der Moderatorenschule Baden-Württemberg im Seminar „Frei sprechen“ mit unserem Trainer Michael Rossié.
In unseren „5 Fragen an …“ erzählt uns Stefan Reusch, was ein Profi wie er in Sachen Sprache überhaupt noch lernen kann, welche Kreativitätstechniken er nutzt und ob man Humor trainieren kann.
Moderatorenschule Baden-Württemberg: Herr Reusch, kann man denn einem Bühnenprofi wie Ihnen überhaupt noch etwas beibringen?
Stefan Reusch: Das Seminar war bei mir tatsächlich weniger für die Radioarbeit gedacht, sondern vielmehr für die Veranstaltungsmoderation, was ich auch ab und zu mache. Und da ist noch Luft nach oben. Michael Rossié hat uns Seminarteilnehmern viel Angst genommen. Da waren fünf Menschen aus fünf Lebensjahrzehnten und ich glaube jeder von uns hatte den Eindruck, dass Herr Rossié sehr empathische und persönliche Ratschläge gibt. Wie ein guter Arzt. Er sagt: „Du bist so und so als Mensch, versuche dich innerhalb dieses Rahmens zu verbessern.“ Ich fand das sehr, sehr angenehm. Herr Rossié ist ein großartiger Impulsgeber, der einen an verschüttete Sachen erinnert.
MBW: Welche Techniken, die Michael Rossié in seinem Seminar trainiert hat, haben Sie danach in „Reuschs Wochenrückblick“ eingebaut?
SR: Sicherlich habe ich unbewusst stilistische Vorschläge von Michael Rossié verwendet: Unmittelbarer Anfang, originelle Beispiele… Das sind alles Dinge, die ich bereits benutze, an die ich aber von Rossié nochmal explizit erinnert wurde.
MBW: Wie funktioniert Ihrer Meinung nach gesprochener Humor und kann man das lernen?
SR: Gesprochener Humor ist leichter als geschriebener Humor. Beim geschriebenen Humor weiß man ja nicht, ob etwas ironisch gemeint ist. Beim Sprechen dagegen kann ich die Lautstärke modulieren, Pausen einbauen und dadurch Spannung erzeugen. Dieses Handwerkszeug steht jedem zur Verfügung. Es kommt darauf an, wie man es einsetzt. Je früher man anfängt, das freie Reden zu üben, desto besser. Natürlich ist es auch eine Sache des Trainings. Oft probiere ich bei kleinen Veranstaltungen etwas Neues aus und sehe dann: „Aha, das ist nicht so witzig, wie du dachtest“ oder „Ah ja, das kommt gut, das kannst du ausbauen.“ Einfach ein bisschen Mut haben, ausprobieren und dann gegebenenfalls auch dem Publikum offen sagen: „Na ja, das hat jetzt aber nicht gut geklappt. Lag’s an mir? Ich glaube, es lag an euch…“ Und dann einfach weitermachen. Besser als vor sich hinzugrummeln oder dann aus Frust aufs Tempo zu drücken oder lauter zu werden, was viele Anfänger tun.
MBW: Bei Ihren Auftritten als Kabarettist und Wortakrobat muss ja wirklich jedes Wort sitzen. Wie schaffen Sie es, trotzdem frei zu sprechen?
SR: Viele Texte sitzen einfach durch die Routine. Bei neuen Sachen habe ich aber immer Gedächtnisstützen dabei. Ich versuche manchmal ein bisschen zu tricksen, indem ich meinen Text in eine Zeitung lege. Aber oft lese ich auch bewusst etwas von meinen Zetteln ab. Das nimmt mir auch keiner übel, weil es zum Großteil sehr aktuelle Themen sind. Wenn ich dann nach zwei Sätzen mal kurz auf mein Skript gucke, hat keiner Schwierigkeiten damit.
MBW: Verwenden Sie beim Schreiben Ihrer Texte eine bestimmte Kreativitätstechnik?
SR: Es ist wissenschaftlich gesagt eine Mischung aus deduktivem und induktivem Vorgehen. Das heißt, ich sammle und versuche gleichzeitig eine Ordnung reinzubringen oder Themen wieder auszuschließen. Wenn ich zum Beispiel morgens Zeitung lese, dann reiß‘ ich was aus und gucke nebenher noch das Morgenmagazin. Letztlich ist es eine emotionale Entscheidung, welche Themen ich nehme und wie ich die Texte formuliere. Ich stehe Freitag morgens um 6 Uhr auf und widme mich meinen Schnipseln und Gedanken, bevor dann am Vormittag die Aufnahme stattfindet. Manchmal passt das einfach wie ein Puzzle zusammen. Wenn ich ein „Teekesselchen“ habe, also ein Wort mit zwei Bedeutungen, dann könnte ich ja daran anknüpfen. Zum Beispiel, wenn jemand „abgehoben“ ist – also entweder mit dem Flugzeug oder vom Charakter her. Ich arbeite wie beim Film mit Schnitt, Blende, ich gehe nah ran, dann gehe ich wieder raus und mache eine „Totale“. Das kann man in zwei Minuten sehr schön formulieren.
MBW: Herzlichen Dank, Herr Reusch, für das interessante Gespräch. Ich bin schon sehr gespannt auf Ihren nächsten Wochenrückblick.
SR: Ja, ich auch…
Fotocredit: Renate Reinshagen