Oh Gott, ich habe über den Sommer zwei Kilo zugenommen, bin heute erkältet und meine Haare sehen schrecklich aus! Und so soll ich heute einen Film moderieren. Ein kurzer Gedanke des Entsetzens streift mich, als ich in den Spiegel schaue. Dürfen Moderatorinnen oder Moderatoren eitel sein? Ich gebe zu, als junge Moderatorin war ich eitel. Ständig habe ich bei der Arbeit kontrolliert, wie ich aussehe, ob das Makeup stimmt und die Haare sitzen. Ich wollte anderen gefallen, dem Bild der perfekten Moderatorin entsprechen. Aber ganz ehrlich, das war ein riesiger Stress. War es das wert?

Eitelkeit killt Souveränität – Moderation mit der Gastgeber-Methode

Vor einiger Zeit moderierte ich eine Veranstaltung in einer großen Konferenzhalle. Vor mir saßen circa 600 Menschen. Die Bühne war nicht speziell für diese Veranstaltung ausgeleuchtet, es gab lediglich das Licht des Konferenzsaals. Als ich in der Pause zur Toilette ging, kam im Flur ein Mann auf mich zu und sagte: „Frau Krieger, Sie sehen ja schrecklich auf der Leinwand aus, zehn Jahre älter. Bin ich froh, dass ich sie jetzt in Natur sehe.“ Er strahlte mich an als hätte er mir ein Kompliment gemacht. Auf so eine Ansage, kann frau schon einmal innerlich zusammenzucken und sich überlegen, ob sie nach der Pause noch einmal auf die Bühne geht.

Aber ja, ich habe damals nach der Pause weitermoderiert. Und zwar absolut entspannt. Denn in all den Jahren auf der Bühne und im Fernsehen habe ich erfahren, dass wir Moderatoren es selten in der Hand haben, wie die Bühne ausgeleuchtet ist und wie die Situation vor Ort sein wird. Wie oft habe ich bei Filmproduktionen erlebt, dass die Maskenbildner eben nicht Gesichtsverschönerer waren, sondern mich unvorteilhaft mit Schminke zugekleisterten oder das Licht so ungünstig von oben kam, dass ich Augenringe hatte, als hätte ich drei Nächte durchgefeiert. Wer sich darüber aufregt, sieht am Ende nur noch schlechter aus und ist obendrein gestresst. Ich habe gelernt, ein entspanntes Verhältnis zu Bildern von mir zu bekommen.

Wenn auch Sie vor Publikum auftreten und sich einmal zu oft fragen „Sehe ich gut aus?“, rate ich Ihnen, gelassen zu bleiben. Das, was die anderen von Ihnen sehen, ist nur ein Bild (auch wenn es ein entferntes Livebild auf der Bühne ist). Und auf dessen Entstehung haben Sie nur bedingt Einfluss. Wobei ich damit nicht meine, dass Sie nicht auf Ihr Äußeres achten sollen. Aber was Sie nicht beeinflussen können, sollte auch Sie nicht beeinflussen. Was Sie verändern können, ist Ihre Einstellung: Sie müssen nicht anderen gefallen, sondern nur sich selbst. Eitelkeit killt die Souveränität. Sie zerstört die Auftrittspräsenz. Und sie stresst.

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