Was tun, wenn die Fronten im Job so richtig verhärtet sind? Wie entstehen Konflikte überhaupt und wie kommt man wieder raus?

Unser Trainer Dr. Frank Hagenow ist Diplom-Psychologe, Kommunikationsexperte und schult an der Moderatorenschule Baden-Württemberg Führungskräfte und Teams, wenn es um die erfolgreiche Kommunikation im Job geht. Auch bei heiklen Streitigkeiten in Unternehmen steht er unseren Kunden mit seiner Expertise zur Seite. Im Interview erklärt er uns die Kommunikation in schwierigen Situationen.

PG: Was sind denn die Top 3 Situationen, auf die du im Bereich „Konflikte im Job“ triffst?

FH: Im Wesentlichen gibt es 3 Bereiche, in denen Konflikte stattfinden:

Das eine ist der innere Konflikt, in dem ich stecke, bei dem ich mehrere Seelen in meiner Brust habe. Ich bin selbst innerlich hin und her gerissen.

Der zweite Bereich sind Konflikte, die zwischenmenschlich sind, bei denen mehrere Menschen betroffen sind, also ich als Führungskraft und mein Kollege gegenüber beispielsweise.

Der dritte Bereich ist der organisatorische Bereich. Hier entstehen Konflikte dadurch, dass organisatorische Strukturen nicht gut definiert sind. Also wenn zwei Leute für denselben Bereich zuständig sind oder für einen anderen gar niemand. Hier empfehle ich, erst mal ein Organigramm zu erstellen, das alle Verantwortungsbereiche erfasst.

PG: Gerade der innere Konflikt klingt für mich eigentlich eher privat. Was rätst du unseren Klienten im Seminar oder im Coaching hierzu? Wie kann man im Job mit einem inneren Konflikt umgehen?

FH: Im Business könnte ein innerer Konflikt beispielsweise der sein: Ich bin Führungskraft und möchte meiner Mitarbeiterin eine Gehaltserhöhung geben, weil sie einfach gute Arbeit macht. Der Finanzminister in mir muss aber leider Veto einlegen, weil wir das Budget dazu nicht haben. Mein Tipp ist hier, erstmal für sich innere Klarheit zu bekommen. Also zu schauen, wer meldet sich da eigentlich in mir? Welche Stimmen habe ich da in mir? Inwieweit sind die im Widerstreit miteinander? Manchmal gibt es die Schnellen und Lauten, die sich innerlich sofort melden, aber es gibt auch die inneren Bedenkenträger, die dann eher still sind und sich aus dem Verborgenen heraus nochmal melden oder Zweifel anmelden. Sich darüber klar zu werden, ist oft der erste Schritt. Also den Konflikt klar auf dem Tisch zu haben. Worum geht es eigentlich? Wo liegt der Konflikt? Und das ist manchmal schon die halbe Miete, weil Konflikte oftmals auf unterschiedlichen Ebenen daherkommen, aber dort vielleicht gar nicht ihren Ursprung haben.

PG: In manchen Konflikten sind die Fronten vermutlich derart verhärtet, dass man mit 08/15-Methoden nicht mehr weiterkommt. Wie gehst du in solchen Situationen vor?

FH: Ich habe in meiner 30jährigen Laufbahn als Kommunikationsberater natürlich enorm viele Konfliktklärungen gemacht – und trotzdem begegnen mir immer wieder neue Situationen und Themen. Aber du hast Recht, eine 08/15-Methode gibt es keine. Konflikte sind komplexe Phänomene – gerade, wenn Unternehmen auf uns zukommen, um sich fachliche Hilfe zu holen. Denn manchmal gibt es kalte Konflikte, die schon lange, lange schwelen, aber eigentlich gar nicht mehr so richtig an der Oberfläche deutlich werden. Man merkt dann immer nur so eine eisige Stimmung. Man redet nicht miteinander oder nur noch das Notwendigste. Der Konflikt wird zum Status quo. Dann geht es oftmals darum, diesen Konflikt wieder heiß werden zu lassen. Die ursprüngliche Konfliktenergie hochzuholen. Die braucht man, um weiterarbeiten zu können.

PG: Wie findest du denn heraus, was der ursprüngliche Konflikt war?

FH: Unterschiedlich. Wenn es um zwischenmenschliche Konflikte geht, spielt oftmals die Emotion eine große Rolle. Die wird im beruflichen Kontext oftmals ausgeklammert, so nach dem Motto: Nun wollen wir mal sachlich bleiben! Dabei wird oft verwechselt, dass es einen Unterschied gibt zwischen privat und persönlich. Und persönlich sind alle Dinge, die auch mit dem beruflichen Kontext zusammenhängen und mich persönlich betreffen. Also wenn mich irgendetwas ärgert, weil meine Chefin, mein Kollege sich in irgendeiner Weise verhalten hat und ich mich persönlich auf den Schlips getreten fühle. Dann bin ich persönlich betroffen im beruflichen Kontext. Privat ist, wenn ich sage: Ich habe Stress mit meiner Frau zu Hause, dann hat das mit dem Beruflichen nichts zu tun. Es kann durchaus sein, dass ich dadurch in meiner Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt bin, aber es ist eine private Angelegenheit. Das voneinander zu trennen und sich um das Persönliche im beruflichen Kontext zu kümmern, ist oft der Schlüssel, um eine Lösung zu finden.

PG: Trotzdem kommt im Beruflichen, und natürlich auch im Privaten, manchmal der Punkt, an dem man einsehen muss, dass es zwischen bestimmten Menschen einfach nicht funktioniert. Dass es besser ist, wenn man sich trennt, ein Mitarbeiter kündigt oder die streitenden Teamkolleginnen versetzt werden. Oder gibt es deiner Meinung nach immer einen harmonischen Ausweg?

FH: Nein, Konfliktlösung heißt ja, dass der Konflikt wirklich gelöst wird. Und lösen kann man einen Knoten auch, indem man ihn durchschlägt, wie wir von Alexander dem Großen und dem Gordischen Knoten wissen. Konfliktlösung heißt nicht immer, wir wollen uns alle wieder liebhaben, sondern Konfliktlösung kann auch bedeuten, dass man sich trennt. Seminargäste oder Coachingpartner fragen oft: „Wenn wir uns jetzt diesem Konflikt zuwenden, wird dann alles wieder so, wie es früher mal war?“ Ich sage dann immer ganz klar Nein! Das wird es nicht, das kann es gar nicht werden und das ist auch gar nicht erstrebenswert. Weil wenn alles wieder so werden würde, wie es war, dann dauert es gar nicht lange und man ist wieder an diesem Punkt, an dem man jetzt gerade ist. Das heißt, zum früheren Zustand zurückkehren zu wollen ist ein verständlicher Wunsch, denn wir möchten harmonisch miteinander leben und arbeiten. Aber manchmal ist Frieden nur da zu finden, wo man sich trennt.

PG: Wie wir sehen, ist Kommunikation in Konflikten alles andere als einfach. Wie legt man sich hierfür ein dickes Fell zu?

FH: Ich glaube, ein dickes Fell ist gar nicht so erstrebenswert, weil so ein dickes Fell oftmals auch zu Ignoranz und Konfliktvermeidung führt. Was es eher braucht, sind Mut und Zuversicht, sich diesem Konflikt zuzuwenden und Dinge anzusprechen. Diese Bereitschaft ist ganz wichtig, um eben nicht plötzlich aufzugeben, sondern dranzubleiben. Das lohnt sich beim konstuktiven Umgang mit Konflikten.

PG: Es gibt ja unzählige Konfliktmöglichkeiten im Job! Kann man sich als Führungskraft auf solch vielfältige Situationen überhaupt vorbereiten? Wenn ja, wie mache ich das am besten? Ich kann ja nicht alle Situationen durchspielen …

FH: Das ist auch gar nicht erforderlich! Es ist gut, wenn man einen Werkzeugkoffer hat, mit dem man sich an die Konfliktbewältigung machen kann. Wenn man über Methoden, Wissen und Bereitschaft verfügt, dann reicht das in der Regel. Aus meiner Sicht gibt es 3 ganz wichtige Kommunikationskompetenzen, die wir ja auch in unseren Lernreisen und Seminaren an der Moderatorenschule BW trainieren. Das sind

  • Zuhören und verstehen können, sich erstmal auf den Standpunkt des anderen einlassen können. Verstehen heißt nicht, dass ich einverstanden sein muss. Ich kann mich aber erst einmal empathisch auf jemanden einstellen.
  • Und wenn ich das verstanden habe und selbst innerlich klar bin, dann geht es in einem zweiten Schritt darum, klar zu kommunizieren und auch den eigenen Standpunkt zu vertreten. Denn manchmal bin ich in so einem innerlichen Kuddelmuddel, dass es mir schwerfällt, klar auszusprechen, worum es mir eigentlich geht.
  • Im Anschluss geht es darum, sich miteinander auf die Lösungssuche zu machen, und zwar so, dass beide Seiten mit einer zufriedenstellenden Lösung rausgehen. Und wenn gar nichts hilft, kann man sich auch fachliche Unterstützung holen, einen Profi ranlassen.

PG: Wir haben jetzt schon mehrfach über die innere Klarheit gesprochen. Hast du ein konkretes Tool, mit dem man herausfinden kann, was man eigentlich will? Es ist ja manchmal gar nicht so einfach, seinen eigenen Standpunkt unter den ganzen Gedanken und Emotionen herauszufinden.

FH: Ja, das ist manchmal nicht einfach. Es geht darum, die inneren Stimmen zu fassen zu bekommen. Es gibt das Modell des inneren Teams von Friedemann Schulz von Thun. Das ist ein Prozess, mit dem ich zum Beispiel im Grundlagenseminar Kommunikation arbeite. Das ist ein sehr mächtiges Tool, weil wir in der gemeinsamen Arbeit diese inneren Teammitglieder erheben. So kommen sich die Teilnehmenden in der Regel schon sehr gut auf die Schliche.

PG: Das klingt nach einem spannenden Tool und sehr intensiver Arbeit. Herzlichen Dank für das Interview, Frank!

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Fotocredit: prostockstudio