Zugegeben: Ich bin Moderatorin von Beruf. Das heißt aber nicht, dass ich immer „Hier“ schreie, wenn es etwas zu moderieren gibt. Im Gegenteil: Je älter ich werde, desto beschaulicher führe ich mein Leben. Ich arbeite, lese, sehe fern, führe den Hund aus und singe in einem Chor. Das ist aufregend genug.
Als bei der Frage, wer unser nächstes Kirchenkonzert moderieren wolle, eine Sopranistin spontan die Hand hob und „Ich“ rief, war ich also froh und dankbar, dass dieser Kelch an mir vorüberging. Denn ich weiß, eine Moderation – auch die eines Kirchenkonzerts – macht im Vorfeld viel Arbeit, bevor man am Tag selbst den Ruhm dafür einstreichen kann.
Am Tag unseres Konzerts erfuhr ich auch den Grund, warum sich meine Chorkollegin um die Moderation gerissen hatte: Sie hatte Geburtstag und machte sich diesen Abend selbst zum Geschenk.
Ihre ersten Moderationen waren genau so, wie man sie nicht machen sollte: Die Frau stand halb verdeckt hinter dem Taufbecken und las ihre vorbereiteten Texte vom Blatt ab. Erst als sie die Pause ankündigen sollte, kam sie hinter dem Taufbecken hervor, atmetet tief ein, straffte sich, sah die Kirchbesucher an und sagte (in freier Rede): „Wir machen jetzt eine Viertelstunde Pause und weil ich heute Geburtstag habe, gebe ich eine Runde aus. Neben dem Eingang werden Ihnen zwei freundliche Helfer gerne ein Glas Wein oder Sekt und etwas Gebäck reichen. Ich hoffe, Sie freuen sich und stoßen mit mir auf meinen Geburtstag an!“
Wir waren alle überrascht von dieser großzügigen Geste und niemanden hat es gewundert, dass die Pause dann doch länger als eine Viertelstunde dauerte. Die fast einhundert Besucher des Konzerts ließen es sich nämlich nicht nehmen, tatsächlich mit unserer Sopranistin anzustoßen.
Als wir Chorsänger uns dann wieder auf der Bühne versammelten, um weiterzusingen, griff unsere Moderatorin erneut zum Mikrofon. „Ich freue mich, dass Sie so zahlreich mit mir auf meinen Geburtstag angestoßen haben! Aber jetzt könnte Sie mir noch einen Gefallen tun: Singen Sie mir doch ein Geburtstagsständchen. Ich bin mir sicher, Sie können alle singen!“ Sprach’s und begann: „Zum Geburtstag viel Glück, zum Geburtstag viel Glück…“
Nach einem ersten Überraschungsmoment fiel unsere Band mit Schlagzeug und Klavier in den Gesang ein. Etwas zögerlicher begannen auch die Konzertgäste zu singen und dann sangen auch wir vom Chor mit: „Zum Geburtstag alles Gute, zum Geburtstag viel Glück!“ Donnernder Applaus.
Wir waren alle überrascht, ja fast schon übertölpelt worden. War das noch ein Chorkonzert oder ein Geburtstags-Event? War das eine gute, weil mutige und überraschende Moderation, oder war sie völlig aus dem Ruder gelaufen? Ich kann diese Frage nicht abschließend beantworten und möchte sie daher hier zur Diskussion stellen.
Aber auf jeden Fall hatten wir, die Chorsänger ebenso wie die Konzertgäste, die ganzen nächsten Tage lang ein Gesprächsthema. Und das spricht eigentlich für diese Moderation…